2014
verbotene klänge
Verbotene Klänge
Reisebuch aus den österreichischen Alpen
Liederzyklus von Ernst Krenek
Tenor // Alexander Kaimbacher
Klavier // Anna Sushon
Text // Erika Pluhar
Konzert mit Lesung 11.9. 19:00
Tabakfabrik Linz // in Kooperation mit dem Internationalen Brucknerfest Linz 2014
programm
Reisebuch aus den österreichischen Alpen
Ernst Krenek (1900-1991)
Liederzyklus in vier Bänden, op. 62
Lesung aus "Der Wendepunkt" von Klaus Mann
1. Motiv (Abreise aus Wien)
2. Verkehr (Mariazellerbahn, später Busfahrt über den Katschberg)
3. Kloster in den Alpen (Admont)
4. Wetter
5. Traurige Stunde
6. Friedhof im Gebirgsdorf (Hallstatt)
Lesung: aus "Mein Theresienstädter Tagebuch 1943/44"
von Helga Pollak-Kinsky
7. Regentag
8. Unser Wein (Franz Schubert gewidmet)
9. Rückblick
10. Auf und ab
11. Alpenbewohner (Glocknerhaus)
Lesung: aus "Oral History" von Gertrud Zeisl
(Frau des Komponisten Erich Zeisl)
12. Politik
13. Gewitter (Heiligenblut)
14. Heimweh
15. Heißer Tag am See (Millstättersee)
Lesung: aus "Hitlerjunge Papanek" von Erich Fried
16. Kleine Stadt in den südlichen Alpen (Lienz)
17. Ausblick nach Süden
18. Entscheidung
19. Heimkehr (Bahnfahrt zurück nach Wien)
20. Epilog (Stammersdorf)
programm
Reisebuch aus den österreichischen Alpen
Ähnlich wie Strawinsky gilt Ernst Krenek (1900-1991) als ein "Chamäleon" unter den Komponisten des 20. Jahrhunderts.
Am Beginn seiner Karriere komponierte er atonal, dann entdeckte er für sich den Neoklassizismus, später die Romantik.
Am längsten befasste er sich mit Schönbergs Zwölftontechnik und deren Fortsetzung, dem Serialismus. Auch elektronische
und postserielle Techniken waren ihm bestens vertraut.
Das "Reisebuch" entstand in der kurzen romantisch-tonalen Schaffensperiode Kreneks, an deren Beginn sein spektakulärer
Bühnenerfolg "Jonny spielt auf" stand. Krenek hatte soeben sein Opus magnum, die große romantische Oper "Das Leben des Orest",
vollendet, als er im Frühling 1929 eine Reise durch Österreich unternahm, die ihn unter anderem von Mariazell über Admont ins
Salzkammergut und weiter über den Katschberg nach Gmünd, Heiligenblut und Lienz führte. Wieder in Wien textete und komponierte
er innerhalb von drei Wochen seine Reiseeindrücke als Zyklus von zwanzig "sentimentalen, ironischen und philosophischen Skizzen"
ganz im Geiste Schuberts, den er erst kurz zuvor für sich entdeckt hatte. Krenek schreibt in seiner Autobiographie: "Die Lieder
betonen durchweg den Kontrast zwischen dem Stadtbewohner, der das lyrische Subjekt des Zyklus ist, und den unverdorbenen
Naturerscheinungen, mit denen er während seiner Erkundungsreise konfrontiert wird." Die Entdeckung der Heimat wird so
zur Metapher für die Entdeckung des eigenen Ichs, die (im allerletzten Lied) mit der Hinwendung zur Zwölftontechnik
endet, welche von da an Kreneks künstlerische Heimat werden sollte.
In unserem Konzert wird der musikalische Bericht über eine Vergnügungsreise mit autobiographischen Texten kontrastiert,
deren Autoren von gänzlich anderen Reiseerlebnissen berichten, nämlich von Flucht und Deportation.
Volkmar Putz
verbotene klänge
Mein Theresienstädter Tagebuch"
"In Theresienstadt hörte ich ganz wunderbare Konzerte und Oratorien. Es gab ja dort herausragende Künstler und Musiker.
Die Konzerte haben mich zutiefst beeindruckt. Es war, als würde mir jemand ein Märchen erzählen. Ein Märchen von einem Prinzen
und Waldfeen und Tieren. Immer kommt es mir vor, dass mir jemand ein Märchen erzählt, aber anstelle der menschlichen Sprache
durch Musik. MUSIK IST DIE SCHÖNSTE UND ERGREIFENDSTE SCHÖPFUNG DER MENSCHLICHEN SEELE."
Das war doch eine unheimliche Leistung von Rafael Schächter, Verdis Requiem in Theresienstadt aufzuführen! Die Musik hatte eine Intensität,
so etwas habe ich später nie wieder erlebt. Du musst dir vorstellen: Ich war doch ein junges Mädchen, und ich habe das ganz stark erlebt,
dieses Requiem, ich habe es im Spätsommer 1944 noch gehört. Und dann brachen die Transporte auf uns ein mit einer Wucht - wie eine Lawine,
die alles unter sich zerstört. Es war das Ende der Musik in Theresienstadt.
Es war das Ende Theresienstadts für mich. Verdis Requiem war wie eine Totenmesse für uns Theresienstädter. Wenn ich das Requiem höre,
dann sehe ich alle Musiker, die ich kannte, Gideon Klein, Hans Krása, Viktor Ullmann, Pavel Haas, Renée Gärtner-Geiringer,
Rafael Schächter, ich sehe, wie sich das Ghetto leert, wie die Menschen zur Schleuse gehen und in die Viehwaggons einsteigen.
Ich denke an Abschiede, Auschwitz, Auslöschung.
Der Transportbefehl kam nicht überraschend. Es sind ja schon so viele vor mir gegangen. Der erste Transport am 28. September 1944 riss 2 500
Menschen mit sich fort, der Transport am 29. September 1 500 Menschen. Am 1. Oktober waren es weitere 1 500 und am 4. Oktober wieder 1 500
Menschen. So ging es fort. Das Ghetto leerte sich, unser Zimmer leerte sich, Mädchen verließen uns, Betreuerinnen, Verwandte, Freunde.
Ein KZ wie Auschwitz - das war ja unvorstellbar, davon wusste ich ja nichts, und selbst wenn mir jemand davon erzählt hätte, hätte ich das
nicht realisiert. Es wäre bestimmt über meine Vorstellungskraft gegangen.
aus Helga Pollak-Kinsky "Mein Theresienstädter Tagebuch 1943-1944"
Edition Room 28, Berlin 2014
www.edition-room28.de
alexander kaimbacher
Alexander Kaimbacher wurde in Villach geboren und lebt heute mit seiner Familie in Wien. Er studierte Gesang und Schauspiel, Waldorfpädagogik, Germanistik, Theater- und Musikwissenschaft. Seit 1999 arbeitet Alexander Kaimbacher als freischaffender Opern- und Konzertsänger und war 2007 - 2010 festes Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper. Freiberufliche Opernengagements führten ihn an die wichtigsten Häuser in Europa. Sein Opernrepertoire spannt sich von den lyrischen Partien Mozarts (Belmonte, Don Ottavio) bis hin zu Charakterpartien von Wagner (Steuermann, Vogelsang, Loge, Mime) und Strauss (Tanzmeister, Jüngling, Brighella, Valzacchi). Alexander Kaimbacher gilt als Spezialist für Neue Musik. Auch im Konzert- und Liedfach hat sich er sich ein großes Repertoire erarbeitet. Homepage: www.kaimbacher.com
anna sushon
Anna Sushon wurde in Russland geboren, studierte Klavier und Musikgeschichte am Licee für Musik in Nowosibirsk. 1991 emigrierte sie nach Israel und schloss 1995 ihr Dirigierstudium an der Jerusalem Rubin Academy of Music and Dance ab. Seit 1996 lebt sie in Wien. Anna Sushon war an der Wiener Staatsoper, Theater an der Wien, Wiener Kammeroper sowie beim Festival Mozart in Schönbrunn, beim Klangbogen Wien, Osterklang, Festival Retz und Wiener Festwochen als Korrepetitorin engagiert. Als Liedbegleiterin trat sie bei der Styriarte, in Wien, Madrid, Jerusalem, Berlin, New York, Moskau und Tel-Aviv auf. Ihre Dirigierlaufbahn führte sie bislang für Konzerte in die USA und nach Israel, für Opernaufführungen nach Wien, Erfurt, Salzburg, Zagreb und Stockholm. Seit 1998 ist sie als Studienleiterin bei der Neuen Oper Wien tätig.
erika pluhar
Erika Pluhar
studierte am Max-Reinhardt-Seminar in Wien Schauspiel und war
seit ihrem 20. Lebensjahr bis 1999 ständiges Mitglied des Wiener Burgtheaters. Sie wurde später durch
Film und Fernsehen im gesamten deutschsprachigen Raum bekannt. Ihre Laufbahn als Sängerin setzte
während der Ehe mit André Heller ein. Allmählich ging sie dazu über, die Texte ihrer Lieder selbst
zu schreiben. Dies ging Hand in Hand mit ihrer sich immer intensiver entwickelnden belletristischen
schreibenden Arbeit, die zu mehreren Veröffentlichungen führte. Heute sind ihre eigenen Liedtexte
nahezu Voraussetzung ihrer musikalischen Bühnen- und Tonträgerarbeit geworden. Die Schauspielerin
Erika Pluhar wurde mehr und mehr zur Autorin.
Homepage: www.erikapluhar.net
helga pollak-kinsky
Helga Pollak-Kinsky wurde 1930 in Wien geboren. Nach dem Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich lebte sie bei
Verwandten im tschechischen Kyjov, von wo sie im Jänner 1943 gemeinsam mit ihrem Vater ins "Künstlerghetto" Theresienstadt
deportiert wurde. Dort kam sie ins Mädchenheim. In ihrem Tagebuch aus der Ghettozeit beschreibt Helga das Leben der Mädchen
im Zimmer 28, das musikalische Leben. 1944 wurde sie nach Sachsen deportiert,
wo sie in einer Chemiefabrik arbeiten musste. Ende April 1945 wurde sie zurück nach Theresienstadt transportiert, wo sie
ihren Vater wieder traf. Gemeinsam erlebten sie die Befreiung. 1951 heiratete sie einen ostpreußischen Emigranten, der sich vor den Nazis nach Bangkok
gerettet hatte. Sie lebte mit ihm zunächst in Bangkok, dann in Addis Abeba. Sie hat zwei Kinder, mit denen sie 1957
zusammen mit ihrem Mann nach Wien zurückkehrte.